18. Juli

Die Natur eilt nicht und dennoch wird alles erreicht. (Laozi)

Bis vor ein paar Wochen habe ich immer gedacht, dass ich nach dieser Tour jeden Baum zwischen Berlin und dem Nordkap persönlich kennen werde. Inzwischen würde ich sagen, jeden Fels trifft es eher. Es ist unfassbar, was hier oben kilometerweit an Gestein herumliegt. Eine Mondlandschaft folgt der nächsten. Vor allem heute will es gar kein Ende nehmen. Langsam brauche ich dringend einen Schlafplatz, aber in so einen Boden kriege ich keinen Hering rein. Mal ganz davon abgesehen, dass schon der bloße Anblick dieses Untergrundes genügt, um Rückenschmerzen zu bekommen.

Ich bin froh, als sich endlich etwas auftut, was man im Verhältnis zur Umgebung durchaus als grünendes Tal bezeichnen könnte. Der Pfad führt schräg am Hang hinab und schließlich habe ich wieder weiche Erde und Wiese unter den Füßen. Es blüht sogar etwas Hahnenfuß und natürlich das allgegenwärtige Wollgras. Dazwischen plätschert ein Bach hindurch.

19. Juli

Ganz er selbst sein darf jeder nur solange er allein ist: wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit: denn nur wenn man allein ist, ist man frei. (Arthur Schopenhauer)

An der Kuonjarjohka-Hütte scheinen tatsächlich reichlich Menschen übernachtet zu haben. Einige erkenne ich in der Ferne vor mir auf dem Pfad in Richtung Halti, andere schultern auf der Terrasse gerade ihre Rucksäcke, und durchs offene Fenster ist unschwer zu erkennen, dass auch in der Hütte noch Betrieb herrscht. Ich frage mich, wie so viele Leute wohl in dieses kleine Ding gepasst haben. Sturm hin oder her – ich bin froh, heute Nacht nicht hier gewesen zu sein. 

Der Wind hat deutlich abgeflaut, aber es ist gerade noch genug davon übrig, als dass die Mücken mich in Ruhe lassen. Trotz des wenigen Schlafes fühle ich mich fit, und obgleich ich gar nicht den Eindruck habe, besonders schnell zu gehen, überhole ich alle naselang andere Wanderer. Das wochenlange Lauftraining im unwegsamen Fjäll macht sich bemerkbar.

Rund um die Meekonjärvi-Hütte sorgen schroff geformte Berge für ein beeindruckendes Panorama. Der Meekonjärvi-See wird im Westen von einer nahezu senkrecht aufragenden Wand flankiert. Am Ufer gibt es nur einen schmalen Streifen betretbaren Landes, der mit riesengroßen Felsblöcken übersät ist, die zum Teil schon halb im Wasser liegen. Dieses Stück kostet mich reichlich Zeit und Kraft. Es ist mal wieder mehr Klettern als Wandern, was ich da mache. Manchmal klammere ich mich auf allen Vieren an irgendeinem Stein fest und weiß eine Weile weder ein noch aus, bis ich mich schließlich wohl oder übel zu einem Sprung auf den nächsten Brocken überwinde.

20. Juli

Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich. (Dietrich Bonhoeffer)

Bei der Überquerung eines kleinen Rinnsals bleibt mein Wanderstock im Morast hängen, und als ich ihn herausziehe, fehlt die Spitze. Schade, jetzt kann ich niemandem zeigen, wie weit ich sie bereits abgelaufen hatte. Schritt für Schritt hat sich ein winziger Hauch Metall nach dem anderen gelöst, und was zum Schluss noch übrig war, ging kaum mehr als Spitze durch, sondern hatte eher eine stumpfe Knopfform.

Ich laufe sanft ansteigend bergauf und dann schräg am Hang durch Sumpf und Matsch. Der Blick über das Tal zu meiner Linken ist grandios. Er reicht unendlich weit und scheint einzig durch die Erdkrümmung begrenzt. Die glasklare Sicht ist durch absolut nichts verstellt, kein Baum, kein Haus, nur die endlosen Bergketten und darüber der blaue Himmel voller Schäfchenwolken, die ihre Schatten auf das Land werfen.

Die Sonne scheint von schräg hinten und zwar ununterbrochen. Das ist eine gute Gelegenheit, den Solarauflader auf den Rucksack zu schnallen und das Handy einzustöpseln. Es funktioniert tadellos, und als ich gegen 19 Uhr einen Schlafplatz finde, habe ich wieder 100% Saft für neue Fotos.

Die Mücken sind ziemlich aktiv und so verziehe ich mich rasch hinter das Moskitonetz. Bis spät abends knallt die Sonne ins Zelt, ganz so als wäre es heller Nachmittag. Ich liege noch lange wach und schreibe Tagebuch, wobei ich in eine ganz merkwürdige, zwiespältige Stimmung gerate. Immer wieder laufen mir Tränen über die Wangen und ich weiß nicht, ob aus Freude oder Traurigkeit. Mir wird mehr und mehr klar, was ich eigentlich seit Beginn dieser Tour weiß, nämlich, dass sie irgendwann zu Ende sein wird. Ich nähere mich meinem Ziel in großen Schritten, in weniger als drei Wochen werde ich, so Gott will, am Nordkap sein. Dann ist das alles hier zu Ende. Ich kann mir kaum mehr vorstellen, nicht von dieser raumgreifenden nur vom Wind und den Vogelrufen unterbrochenen Stille und dieser ungeheuren, menschenleeren Weite umgeben zu sein – dem Himmel so nah. 

21. Juli

Wir sind nicht Herren der Natur, sondern nur ihr Teil. (Richard von Weizsäcker)

Die Straße geht in einen Trampelpfad über, und nach kürzester Zeit wird die Insektenplage unerträglich. Nur muss ich sie ja irgendwie ertragen. Ich schalte mal wieder auf Autopilot und versuche mich weit weg zu träumen. Die Vegetation ist üppig wie im Urwald. Der Pfad windet sich durch streckenweise schulterhohes Farnkraut. Die Birken sind deutlich größer und ausladender als oben in den Bergen und bilden ein dichtes grünes Dach. Auf dem Reisaelva ist verhältnismäßig viel los. Hin und wieder höre ich Motorboote vorbeituckern, und wenn das Blattwerk es zulässt, sehe ich Menschen darinsitzen. Wanderer begegnen mir keine. Ich bin offenbar der einzige Depp, der zu Fuß durch diese Mückenhölle läuft.

Die Leute auf dem Wasser scheinen ihre Ruhe zu haben, schon allein durch den Fahrtwind. Jedenfalls tragen sie keine Moskitonetze. Am Ufer jedoch wird der Insektenansturm Schritt für Schritt unerträglicher, – entgegen jeder vernünftigen Grammatik gibt es diese Steigerungsform, wenigstens im Reisadalen. Es herrscht eine brütende Hitze und kein Lüftchen regt sich. Ich fühle mich müde und ausgetrocknet. Ich habe Durst, möchte aber nicht trinken, da ich dafür das Moskitonetz anheben muss, was jedes Mal zu einer widerwärtigen Fliegenattacke auf mein Gesicht führt.

Nach knappen 10 km will und kann ich für heute nicht mehr. Ich stelle den Rucksack ab und untersuche den Untergrund der näheren Umgebung nach einer ebenen Stelle. Falls mir jemand vom Wasser aus zusieht, nimmt er vermutlich statt meiner nur eine schwarze, surrende Wolke wahr, die sich langsam über das Blaubeergestrüpp wälzt. Ich bin überrascht, wie viele Insekten mir der minimale Luftzug, den ich durch die Bewegung des kontinuierlichen Wanderns produziere, vom Leib gehalten hat. Jetzt jedenfalls, wo ich nur noch langsam im Kreis tappe, ist mal wieder eine neue Steigerungsform von unerträglich erreicht.

Ich baue das Zelt auf und werfe mein Zeug nach und nach durch einen kleinen Spalt im Reißverschluss hinein. Im Eiltempo und um den Preis von noch zerstocheneren Händen (ja auch dieses Adjektiv lässt sich steigern) koche ich mir einen Topf Nudeln. Ich schlüpfe damit ins Zelt und ziehe hinter mir sofort zu. Trotzdem ist drinnen alles voller schwarzer Fliegen. Keine Ahnung, wie die hier reingekommen sind, ob gerade eben mit mir oder schon vorher mit dem Gepäck oder ob gar das Moskitonetz nicht engmaschig genug ist. Wie dem auch sei, ich bin einigermaßen verzweifelt. Mein Körper will keinen Schritt mehr gehen, aber hier drinnen mit all den stechenden Biestern werde ich die Erholung, die ich so dringend brauche, nicht finden. Da erscheint es fast bequemer, einfach weiterzuwandern.

Ich atme tief durch, so tief wenigstens, wie meine geflügelten Mitbewohner es zulassen, ohne sich scharenweise meine Kehle hinunter zu stürzen. Erstmal essen, die Nudeln sind jetzt warm und nicht später. Leider wimmelt es auch im Topf nur so von schwarzen Punkten, aber inzwischen ist mir alles egal. Ich habe einfach nur Hunger und löffele drauflos.

Nach diesem für einen Vegetarier ungewöhnlich fleischlastigen Abendessen stellt sich erneut die Frage: bleiben oder weiter? Ich sitze verschwitzt, müde und von Getier übersät in einem Durcheinander aus vollen und leeren Packsäcken, dreckiger Wäsche, Schokoriegeln, Nudelpaketen, Tütensuppen, Kochgeschirr – kurz allem wovon und womit ich seit über vier Monaten lebe – und weiß mir plötzlich keinen Rat mehr. Dass einen diese winzig kleinen Lebewesen derart aus dem Konzept bringen können! Ich empfinde sie beinah schon als eine Art Bedrohung. Was, wenn es noch mehr werden? Fangen sie irgendwann an, mich zu essen oder bleibt es dabei, dass ich sie esse?

22. Juli

Gott ist ein Komödiant, der vor einem Publikum spielt, das zu ängstlich zum Lachen ist. (Voltaire)

Ich trinke wenig und schwitze reichlich unter meiner viel zu warmen Kleidung. Lange Hose, lange Ärmel und Buff, damit zwischen Mückennetz und Pullover auch ja kein Stück Hals frei bleibt. Zeitweise trage ich sogar Handschuhe. Der Schweiß tropft mir von Stirn und Nasenspitze, alles an mir klebt, und nach kurzer Zeit bin ich nass bis auf die Unterhose. Die Steilvorlage für einen Hitzschlag, und das hier, wo mir so schnell niemand zu Hilfe kommen wird, – zumal ich seitdem ich ins Reisadalen abgebogen bin, kein Handynetz mehr habe. Die hohen Berge rechts und links scheinen jedes Signal abzublocken. Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir „Tod durch Hitzschlag auf 69° Nord“, das muss man erstmal schaffen. Auf jeden Fall würde mir damit ein Platz im Kabinett der absurdesten Todesarten gebühren. Aber das ist eigentlich nicht der Ruhm, auf den ich dringend aus bin. Also Moskitonetz hoch und trinken, egal wie viel Getier dabei in Ohren, Mund und Nase landet. 

23. Juli

An unmöglichen Dingen soll man selten verzweifeln, an schweren nie. (Johann Wolfgang von Goethe)

Die Ráisjávrihytta ist leider keine DNT-Hütte. Umso überraschter bin ich, dass sich die Eingangstür öffnen lässt. Ich trete in einem Windfang, von dem zwei weitere Türen abgehen, die allerdings verriegelt sind. Zu früh gefreut. Ich ziehe trotzdem die Eingangstür hinter mir zu und atme tief durch. Immerhin habe ich jetzt etwa einen Quadratmeter zur Verfügung, um das Mückennetz abzusetzen und in Ruhe etwas zu trinken. Das ist ja schon beinah luxuriös. Ich sehe mich um und überlege einen Augenblick, ob ich mich neben dem Staubsauger, dem Putzeimer und dem Wischmopp, die dekorativ in der Ecke stehen, zusammenkauern und hier die Nacht verbringen soll, entscheide mich jedoch dagegen. Nein, so verzweifelt bin ich noch nicht! Etwa 4 km sind es bis hoch auf den Geađaščohkka. Das schaffe ich!

Draußen stoße ich auf ein ermunterndes Schild „Kautokeino 38 km“ – bis übermorgen Mittag sollte das kein Problem sein! Ich versuche mich mit der Vorstellung eines nahenden Supermarktes und einer warmen Dusche irgendwie bei Laune zu halten, aber dennoch kostet es mich so einiges, während der folgenden entsetzlich insektenreichen halben Stunde direkt am See entlang nicht vollständig die Fassung zu verlieren. Die Mücken sitzen auf meinen aufgekratzten, geschwollenen Handrücken und bedienen sich schamlos. Dazwischen kleben die winzigen schwarzen Fliegen und beißen mir blutige Risse in die Haut. Es ist zum Verzweifeln ekelerregend!

Ich habe über 30 km hinter mir, bin in Schweiß gebadet und fühle mich wackelig auf den Beinen. Ich muss unbedingt mehr trinken, jetzt sofort. Während der halben Minute ohne Mückenschutz bahnt sich eine große geflügelte Wolke den Weg in mein Gesicht. Nachdem ich mich wieder vermummt habe, schlage und drücke ich so lange auf dem Moskitonetz herum, bis darunter, von mir selbst abgesehen, nichts mehr lebt. Ich betrachte meine blutverschmierten Handflächen. Das ist einfach nur noch widerlich und genauso fühle ich mich auch.

Dort, wo ich vom See weg nach Nordosten auf den Berg abzweige, steht ein einsames Häuschen mit einer überdachten und völlig von Netzen umkleideten Veranda. Hinter dieser weißen Verschleierung erkenne ich zwei alte Leute, die sich über einen Tisch beugen und offenbar zu Abend essen. Der Weg führt direkt an dem Haus vorbei. Hoffentlich versetze ich den beiden nicht den Schock ihres Lebens, bei dem Anblick, den ich derzeit biete. Ich jedenfalls würde ganz schön in Alarmbereitschaft geraten, wenn ein mit Blut besudelter und einigermaßen dehydrierter Typ plötzlich in meinem Vorgarten herumwankt – erst recht in einer Gegend, wo ungefähr einmal pro Woche jemand vorbeikommt. Ich irre mich. Die beiden grüßen nur freundlich und essen ungerührt weiter. Wahrscheinlich sieht jeder so aus, der um diese Jahreszeit hier auftaucht.

24. Juli

Wenn du etwas loslässt, bist du etwas glücklicher. Wenn du viel loslässt, bist du viel glücklicher. Wenn du ganz loslässt, bist du frei. (Ajahn Chah, buddhistischer Mönch)

Die Landschaft bleibt den ganzen Tag über völlig unverändert: bis zum Horizont nichts als grüne Hügel und dazwischen leuchtend blaue Seen. In etwas mückenfreieren Momenten lüfte ich das Moskitonetz, trinke und stopfe mir Essen in den Mund. Über mir wölbt sich ein wolkenloser Sommerhimmel. Die Fernsicht ist überwältigend. Mir begegnet niemand, und absolut nichts passiert. Es ist als sei ich der einzige Mensch auf Erden und mein Leben ein sich ewig wiederholender Augenblick. In mir ist eine gänzlich ungestörte Leere, die ich füllen kann, womit auch immer ich möchte. Ich glaube, Alleinsein macht süchtig!

25. Juli

Der Hund ist ein Ehrenmann; ich hoffe, einst in seinen Himmel zu kommen, nicht in den der Menschen. (Mark Twain).

Nach einigen Kilometern erreiche ich die Straße nach Kautokeino. Der graue Streifen Asphalt zieht sich beinah schnurgerade über eine ebene Fläche aus Sumpfgras, Weidengestrüpp und strauchartig kleinen Birken. Von der nahenden Stadt mit ihren immerhin knapp 3000 Einwohnern ist lange nichts zu sehen. Autos fahren hier so gut wie keine.

Allmählich lockert die Wolkendecke auf. Plötzlich höre ich es direkt hinter mir schnauben und tapsen. Rentiere klingen anders, das weiß ich inzwischen. Verwundert drehe ich mich um. Vor mir steht ein sehr großer, weißer Hund, der mich freundlich anlächelt. Ja, das tut er wirklich, und trotz seiner ehrfurchterheischenden Gestalt habe ich nicht eine Sekunde lang Angst vor ihm. Ich lächele einfach zurück. Er wedelt, läuft dicht an mir vorbei und drückt sich gegen meine Hosenbeine. Seine Rückenhöhe reicht mir fast bis zur Hüfte.

Ich halte Ausschau, ob sich irgendwo ein Mensch zeigt, zu dem das Tier gehört, aber hier ist niemand und auch kein Haus weit und breit. Der Hund ist buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht. Er trabt vor mir die Straße hinunter, hält aber immer wieder an und sieht sich um, wie um sicherzustellen, dass ich ihm folge. Oben und am Hals ist sein Fell sauber, seidig und buschig, am Bauch und zwischen den Beinen aber sieht es verklebt und schmuddelig aus. Bestimmt war er weitab im Sumpf unterwegs.

Als wir Kautokeino erreichen, macht er noch immer keinerlei Anstalten, mir von der Seite zu weichen. Wir gelangen auf die Hauptstraße und wandern in Richtung Ortskern. Jetzt trennt mich vom heißersehnten Supermarkt nur noch eine Brücke über den Altaelv. Der Fußgängerteil besteht nicht aus durchgehendem Straßenbelag, sondern aus einem engmaschigen Rost, unter dem man den Fluss blitzen sieht. Dieser Untergrund ist für Pfoten offenbar unangenehm, weswegen sich mein Begleiter entscheidet, die Fahrbahn zu benutzen. Stolz und groß läuft er geradewegs auf dem Mittelstreifen und schaut zu mir hinüber. Da hier tatsächlich etwas Verkehr herrscht, mache ich mir Sorgen und halte auch meinerseits den Blick auf ihn gerichtet. Bei den Autofahrern muss das den Anschein erwecken, als sei ich der Besitzer. Jeden Augenblick, so befürchte ich, wird das Gehupe losbrechen und irgendjemand wird wild gestikulierend aussteigen und mich ordentlich zusammenfalten. Doch nichts dergleichen geschieht. Die Autos fahren einfach langsam um den Hund herum und niemand stört sich an irgendwas.

Vorm Supermarkt stelle ich den Rucksack ab und betrachte meinen charmanten Gefährten. Er scheint zu verstehen, dass ich da jetzt rein will, kommt noch einmal ganz nahe zu mir heran, wedelt und streicht mir um die Beine. Ich beuge mich hinunter kraule ihm den Hals, nehme seinen Kopf zwischen meine Hände und verabschiede mich. Er lächelt, wendet sich um und trottet davon. 

26. Juli

 

Glück ist ein Schmetterling, der sich immer unserem Griff entzieht, wenn man ihn jagt, der sich aber auf uns niederlässt, wenn wir ganz still dasitzen. (Nathaniel Hawthorne)

Als ich aufwache, sieht die Welt trübe und pitschnass aus. Den Regen muss ich glatt überhört haben. Ich schlurfe zur Küche hinüber, um dort ungewöhnlich bequem und zivilisiert im Trockenen auf einem Stuhl am Tisch und vom Teller ein paar Käse- und Nutellabrote zu essen. Hinterher verkrieche ich mich wieder in den Schlafsack, lade Fotos in mein Album hoch und warte auf besseres Wetter.

Später klart der Himmel auf, und ich mache mich auf den Weg zum Supermarkt, um meinen Provianteinkauf für die nächsten Etappen zu erledigen. Den Rest des Tages liege ich in der Sonne und faulenze vor mich hin.

Zum Abendbrot treffe ich mich mit Lukas. Wir haben beide eine Menge Süßigkeiten übrig, die wir morgen nicht weiter mitschleppen wollen, und lassen den Tag mit Pizza, netten Gesprächen und reichlich Nachtisch ausklingen.

Was für ein vollkommen ereignisloser 26. Juli! Genau das Richtige, um Kraft zu sammeln für den Endspurt. Es sind noch 360 km und mir bleiben 17 Tage Zeit, das sollte zu machen sein.